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Den Frühling, den man nicht stoppen kann.

Stoppen wir die politischen Morde von Staaten, Mafia und Konzernen gegen Frauen!

Stoppen wir die politischen Morde von Staaten, Mafia und Konzernen gegen Frauen!

Frauen machen mit ihren Kämpfen die Zerstörungspolitik immer sichtbarer. Sexismus ist eine der wichtigsten ideologischen Säulen des Kapitalismus und immer mehr nimmt in den letzten Jahren patriarchale Gewalt an Frauen zu. In diesem Zusammenhang nimmt auch die Analyse und die Kritik der strukturellen und systematischen Probleme immer weiter zu.

Die Straftaten an Frauen haben unterschiedliche Dimensionen, sie reichen von physischer, sexueller Gewalt über psychische und wirtschaftliche Macht und Gewalt hin zu Diskreditierung und Ausschluss aus der Gesellschaft. Die Täter dieser Verbrechen können ganz verschieden sein. Gezielte und immer mehr an System gewinnende Gewalt an Frauen wird oft lediglich als individuelles Handeln eines Mannes wahrgenommen. Die Gewalt an Frauen wird jedoch seitens des kapitalistischen Systems institutionell gefördert und unterstützt. Dies sehen wir auch an den zunehmenden politischen Morden, die von Nationalstaaten und staatlichen Unternehmen gegenüber politischen Vorreiterinnen verübt werden.

Wenn wir uns den Charakter der Frauen anschauen, die durch Attentate ermordet wurden, sehen wir, dass es sich um Frauen handelt, die aktiv kämpfen und eine bestimmte Vorreiterinnenrolle einnehmen. Aktivistinnen, Intellektuelle, Anwältinnen, Journalistinnen, Künstlerinnen, Revolutionärinnen und Politikerinnen, die ihre Heimat und ihr Lebensumfeld als Vertreterinnen von Frauenrechten, Menschenrechten und der indigenen Bevölkerung verteidigen. Es sind Frauen, die sich offen und bewusst gegen staatliche Regime stellen, weil sie eine Mensch und Natur ausbeutende und zerstörende Politik nicht akzeptieren.

Genau diese Ebene der systematischen Gewalt an Frauen und ihren Kämpfen um Gerechtigkeit wird weder von den Medien noch von der demokratischen Öffentlichkeit angemessen beachtet und aufgenommen. Die Mainstream-Medien geben diesen Morden mit politischem Charakter nicht genug Raum. Falls es doch Berichtserstattungen dazu gibt, dann meist oberflächlich mit einer männlich dominierten Sprache und aus einer patriarchalen Position heraus. Meistens sind es nur Nachrichten, die kurze Informationen über die Ermordeten enthalten. Fragen wie wann und wie es dazu kam und wer den Mord verübt hat, werden nicht gestellt bzw. beantwortet. Darüber hinaus wird rechtlich nicht getan, was notwendig ist, um diese politischen Morde zu verfolgen und die Täter zu bestrafen. Die Ermittlungen zu politischen Morden an Frauen werden überwiegend auf unbestimmte Zeit verschoben und anschließend eingestellt.

Die Massaker an Frauen sind überhaupt erst möglich, weil Kräfte, die ein Interesse an Gewalt haben, die Täter schützen. Die Morde werden von großen Unternehmen angeordnet, die direkt mit staatlichen Kräften oder Institutionen verbunden sind. Solche Morde werden manchmal von den “Sicherheitskräften” des Staates verübt, oft von Banden, bezahlten Mördern oder rechten paramilitärischen Kräften.

Patriarchale Nationalstaaten können jede*n, die*der gegen diese gewalttätige Politik steht, zu “Terroristen” erklären und mit dieser Anschuldigung die entsprechenden Personen und Behörden in Gang setzen, wie sie wollen. Unter dem Namen “Terrorismusbekämpfung” treten Staaten weltweit Recht und Menschenrechte mit Füßen und setzen willkürlich ihre Herrschaft mit Gewalt um. Beispiele hierfür sind Staaten wie die Türkei, Afghanistan, Kolumbien, Mexiko und die Philippinen. Frauen, die soziale Kämpfe führen, werden zu einem leichten Ziel solcher Staaten gemacht.

Beispielsweise unterzeichnete der kolumbianische Staat 2016 einen Friedensvertrag mit der FARC, der zur Beendigung des bewaffneten Kampfes durch die FARC führte. Seit November 2016 wurden jedoch etwa 253 ehemalige FARC-Guerillas ermordert, darunter auch 8 Frauen.

Die Türkei ist der Staat, der sich durch die höchste Anzahl an politischen Gefangenen und politischen Morden an Frauen weltweit auszeichnet. Am 9. Januar 2013 ermordete der türkische Staat drei kurdische Revolutionärinnen – Sakine Casiz, Fidan Dogan und Leyla Şaylamez – mitten in Paris. Obwohl es Beweise dafür gibt, dass das türkische Regime dieses Attentat persönlich angeordnet hat, gab es in dieser Hinsicht keine weiteren Ermittlungen. Am 4. Januar 2016 richtete der türkische Staat drei kurdische Frauen in Silopi hin: Sevê Demir, Pakize Nayr und Fatma Uyar. Diese drei Frauen nahmen aktiv am Widerstand und dem Aufbau der Selbstverwaltung teil und wurden zuvor bereits verletzt. Weil der türkische Staat es als sein Recht sieht alle kurdischen Aktivistinnen zu verfolgen und zu töten, ließ er durch die Hände dschihadistischer Terrorgruppen am 12. Oktober 2019 Hevrin Xelef, Generalsekretärin der syrischen Zukunftspartei, ermorden. Am 23. Juni 2020 tötete der türkische Staat die Kongra Star-Führungskräfte von Rojava – Zehra Berkel, Hebun Xelil und Amina Weysi – in Kobane.

In den letzten Monaten stand Afghanistan auch aufgrund von Hinrichtungen von Vorreiterinnen und Aktivistinnen auf der Tagesordnung. Während die afghanische Regierung “Friedensgespräche” mit den Taliban führt, sind die Verbrechen gegen die Frauen seitens der Taliban in keiner Weise ein Teil der Verhandlungen.

Im Bezug auf die Frauenfrage und die Verbrechen an Frauen haben Staaten keine klare Politik. Genau diese nicht vorhandene Haltung lädt zu mehr Gewalt und Morden ein, da es keine Konsequenzen gibt.

Mina Mengel, eine 27-jährige Journalistin und Frauenrechtlerin, wurde im Mai 2019 in Afghanistan hingerichtet, während Malalai Meyvand, ebenfalls Journalistin und Menschenrechtsaktivistin, im Dezember 2020 ermordet wurde. Am 24. Dezember wurde Freshta Kohistani, Menschenrechtsaktivistin, getötet. Mitte Januar wurden zwei Richterinnen auf dem Weg zur Arbeit in einen Hinterhalt gelockt und ermordet. Shaheena Shaheen Baloch, Journalistin und Frauenrechtlerin im benachbarten Pakistan, wurde ebenfalls im September 2020 getötet.

In Mexiko, wo Verbrechen an Frauen ebenfalls zum Alltag gehören, werden die Morde meist seitens des Staates, der Mafia oder von Konzernen verübt. Der Mord an Isabel Cabanillas de la Torre im vergangenen Jahr löste einen Aufstand von Frauen im ganzen Land aus. Isabel Cabanillas, 26, führte viele Kämpfe im Bereich der Ökologie und des Feminismus und auch im künstlerischen Bereich war sie tätig. In Guatemala wurden Diana Isabel Hernandes Juarez am 7. September 2019 und Paulina Curuz Ruiz am 14. September exekutiert. Rosane Santiogo Silveira wurde am 29. Januar 2019 in Brasilien ermordet, einem der Länder mit der höchsten Zahl von Frauenmorden weltweit. Leah Tumbalang auf den Philippinen wurde am 24. August 2019 getötet, Esther Mwikalis in Kenia am 27. August 2019, Mirna Teresa Suazo Martinez in der Nordkaribik am 8. Oktober 2019 und Maria Digna Montero Garifuna in Südafrika am 12. Oktober 2019. Da es nicht möglich ist, die Namen aller Frauen, die Opfer politisch orientierter Morde wurden, aufzuschreiben, zeigen wir mit den wenigen Beispielen aus einigen Ländern das Ausmaß dieses Problems auf.

Herrschaftsregime hatten schon immer große Angst vor den Frauen, die sich organisieren. Im Laufe der Geschichte wurde die Überschreitung der vorgegebenen Grenzen durch Frauen stets mit Sorge betrachtet. Alle Herrschaftsmittel wurden gegen diese Frauen mobilisiert, sie wurden diskreditiert, durch Drohungen und Erpressung eingeschüchtert, eingesperrt oder ermordet. Olympe de Gouges, Rosa Luxemburg und die Mirabal Geschwister sind nur einige der Frauen, die Opfer eines politischen Mordes wurden.

Je autoritärer und größer ein Herrschaftsregime wird, desto stärker auch die Frauenfeindlichkeit. Das können wir heute sehr deutlich sehen und sagen. Regierungen, die Kompromisse bei Werten wie Demokratie, Menschenrechten und Grundrechten eingehen, werden zu autoritären und repressiven Regimes. Die sexistische Politik vertieft diese Zustände und die Angriffe auf Frauen nehmen zu. Obwohl der ideologische Ausdruck der kapitalistischen Moderne Liberalismus ist, bilden Nationalismus, Fundamentalismus, Positivismus und Sexismus den ideologischen Nährboden der Macht. All diese Aspekte existieren, um die Macht eines Nationalstaates überhaupt zu rechtfertigen. Sexismus bildet hierbei die gemeinsame Grundsäule. Der Grund, warum das kapitalistische System so viel Angst vor dem wachsenden Streben der Frauen nach Freiheit hat, sollte darin gesucht werden. Das Erwachen der Frau, die Organisierung der Frau bedeutet eine grundlegende Erschütterung der Bausteine der kapitalistischen Moderne.

Die Frau als Vorreiterin bedeutet das Durchbrechen von längst etablierten sexistischen Vorgaben, was viel Kraft braucht und gleichzeitig den Kampf so wertvoll macht. Pionierinnen werden nicht so leicht erschaffen. In sozialen Kämpfen ist die Präsenz und Vorreiterinnenrolle der Frau von äußerster Notwendigkeit, da der Widerspruch zwischen ihr und dem kapitalistischen System viel größer ist als der zum Mann. Eine organisierte und bewusste Frau wird in ihrem Kampf klarer, schärfer und weniger zögerlich. Das System ist darauf aufgebaut die Frau empfänglich für Ausbeutung zu machen, begonnen bei dem Mann zu Hause bis hin zum gesamten System.

Der Mann, der nicht vom System losgelöst ist, ist immer mit dem System einverstanden und reproduziert bewusst oder unbewusst sexistische Verhältnisse. Die Angst vor dem Machtverlust ist zu groß, als dass er Platz machen könnte für Frauen. Frauen haben dagegen nichts mehr zu verlieren.

Organisierte Frauen sind der Motor des Kampfes gegen das patriarchale herrschende System. Wir können diese Realität in dem Prozess, den wir gerade durchlaufen, deutlich erkennen. Frauen sind die führende Kraft in anti-systemischen Kämpfen auf allen Ebenen. Das gilt für alle Kämpfe, die geführt werden. Sei es gegen Rassismus, Faschismus und Klimagerechtigkeit oder aber auch die Kämpfe indigener Gruppen um ihr eigenes Land und mehr Demokratie und Freiheit der Völker. So wie das 20. Jahrhundert von Klassen- und nationalen Befreiungskämpfen geprägt war, wird das 21. Jahrhundert von der Revolution der Frauen geprägt sein. Genau das wird gerade noch durch das vorherrschende System blockiert. Frauen sollen ohne Vorbilder und Vorreiterinnen gelassen werden, damit sie immer eine nutzbare Ressource für das System bleiben, um es zu stabilisieren und reproduzieren.

Verbrechen gegen Frauen nehmen zu, aber die Kämpfe der Frauen vertiefen und stärken sich ebenfalls. Die Politik von Staaten, Mafia und Konzernen gegen Pionierinnen wird parallel zur privaten Gewalt gegen Frauen angeheizt. Deshalb müssen wir dringend diese Verbrechen verhindern, die gezielt gegen Frauen ausgeübt werden sei es seitens der Männer im nahen Umfeld oder seitens systemischer Kräfte der kapitalistischen Moderne.

Als Kurdische Frauenbewegung verurteilen wir die Morde an allen Revolutionär*innen und wegweisenden Frauen seitens der Nationalstaaten aus vollem Herzen. Im Gedenken an all die Pionierinnen, die in ihrem Kampf und auf der Suche nach Freiheit ermordet wurden, fordern wir die sofortige Beendigung dieser gezielten Verbrechen an Frauen!

Wir rufen die Frauen auf der ganzen Welt auf gemeinsam zu kämpfen gegen diese Missstände, damit wir nicht weniger werden und die Mörder nicht mehr.

Lasst uns unsere Kräfte vereinen und die patriarchale und kapitalistische Weltordnung aushebeln und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen!

KJK Ausschuss für demokratische Beziehungen und Allianzen
19. Januar 2020

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